Postkartenidylle

Ein herrlicher Tag schien sich anzukündigen, als ich eine überbunte Postkarte in meinem Briefkasten ausfindig machte. Jemand hat an mich gedacht, die Welt hat mich noch nicht ganz vergessen. Um den Moment noch ein wenig auszukosten verstaute ich die Karte in meiner Manteltasche und machte mich auf, das Arbeitsklima ein wenig zu zerstören.

Die Arbeit verlief wie ein erstes Rendezvous. Zuerst kann man sich nicht entscheiden, ob man daran teilhaben soll und schlussendlich fühlt man sich einfach nur noch unwohl. Doch der Gedanke, heute Abend die Grüsse von einem fremden Winkel der Erde empfangen zu können, liess das flaue Gefühl in der Magengrube verschwinden. Auch all die internen E-Mails, welche Witz und Unterhaltung versprechen, konnten mir die Laune nicht verderben.


Auf dem Weg nach Hause wollte mir einer dieser übermotivierten Umweltschützer noch einen Vertrag aufschwatzen, der weder dem Weltfrieden noch irgend einem Baum helfen würde. Ich beliess es bei einem freundlichen Tritt auf seinen Fuss und erklärte ihm in sachlichem Ton, dass das Klima auf diesem Planeten immer noch besser sei, als bei mir im Büro. Er schien nicht zu verstehen, aber nickte freundlich.


Ich liess mich auf den Sessel fallen und liess meinen Blick übers Abendrot schweifen, dass sich vor meinem Fenster zu präsentieren begann. Ein freudiger Griff in meine Jackentasche und der Abend war wieder so übel wie jeder andere auch. Der Briefträger hatte sich im Namen geirrt und so hielt ich Grüsse in der Hand, die gar nicht für mich bestimmt waren. Ich zerknüllte das grässliche Stück Karton und schmiss es in Richtung Sonnenuntergang. Natürlich hätte ich es der berechtigten Person übergeben können, die sich sicher darüber gefreut hätte – doch ich tat es schlichtweg nicht.
Das Klima hat sich seither auch nicht wesentlich verändert; wen wundert es?!

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